Percy BridgmanSterbedatum : |
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Bemerkungen über Percy Bridgman
Bridgman hat mir einen Riesenspass gemacht, besonders eben dieses operative Verstehen. Und das, was für mich als Physiker damals so wichtig war, war, dass er gesagt hat, alle diese physikalischen Grössen, die Sie verstehen wollen, bestehen aus einem Produkt von Fundamentalgrössen.
Von Heinz von Foerster im Buch Wie wir uns erfinden (1999) auf Seite 46Heinz: Also, für mich war Bridgman auch eine Erleuchtung. Ich bin über ihn gestolpert, als ich Physikstudent war. Es muss Anfang der dreißiger Jahre gewesen sein, da bin ich auf eine kleine Arbeit von Bridgman gestoßen, die hieß Dimensions of Analysis, Dimensionen der Analyse, Da zeigte er, daß, wenn zum Beispiel von Viskosität gesprochen wird, dann muss ich wissen, was unter Viskosität verstanden werden soll. Wie würde ich das messen, wie würde ich sagen, die eine Flüssigkeit ist zäher als die andere? Da müsste ich folgendermaßen vorgehen: Der Begriff der Viskosität ist eine physikalische Dimension, die mit der räumlichen Dimension zu tun hat, ein Produkt aus gewissen Fundamentalgrößen. Wie du gerade bei der Länge erklärt hast, müsste ich einen physikalischen Maßstab nehmen, und wenn ich ihn sechsmal ansetzen kann, dann weiß ich, daß die Größe dieser Sache sechs Einheiten ist. Den Maßstab muss ich in die drei fundamentalen Größen zerlegen, nämlich Länge, Gewicht oder Masse und Zeit. Dann kann ich ihm auch einen Namen gehen, zum Beispiel Viskosität. Das ist dann ein Produkt der physikalischen Dimensionen, die alle durch Operationen definiert werden.
Ernst: Du hast das benützen können?
Heinz: Ja. Es hat mich völlig hingerissen. Du hast zum Beispiel das physikalische Problem: Ich möchte wissen, wie ich diese oder jene Gleichung oder Funktionen oder Formel bekomme. Bridgman sagt, das ist einfach! Sagen Sie mir, aus was für physikalischen Einheiten die Formel bestehen soll, schreiben Sie das hin. Dann sage ich Ihnen, wie Sie das messen, und Sie haben sofort die Lösung. Direkt aus den physikalischen Dimensionen. Also brauche ich nur drei Zeilen - drei Zeilen, um ein sehr verzwicktes mathematisches Problem zu lösen. Das einzige, was dann fehlt, sind die spezifischen Werte und eine Proportionalitätskonstante, und die, sagt Bridgman, ist immer zwischen null und eins. Also hat man auf jeden Fall eine prinzipielle Antwort. Das hat mich begeistert, damals, als ich Physik studierte. Ich kann mich noch erinnern, ich habe die Bridgman- Analyse bei einer Prüfung verwendet, um eine Lösung zu finden, wozu ich eine halbe Stunde hätte rechnen müssen. Ich habe die Aufgabe gelöst und bin durchgefallen Der Lehrer hat das nicht akzeptiert. Das kann man nicht so machen, hat er gesagt. Da müssen Sie schon die Differentialgleichung lösen. - Aber ich habe die Aufgabe doch auch gelöst? - Ja, aber Sie haben die Formel nicht gewußt! - Na ja, so war es. Aber der Bridgman hat mir einen Riesenspaß gemacht, besonders eben dieses operative Verstehen. Und das, was für mich als Physiker damals so wichtig war, warf daß er gesagt hat, alle diese physikalischen Größen, die Sie verstehen wollen, bestehen aus einem Produkt von Fundamentalgrößen. Und er hat auch den Beweis geliefert, daß es sich immer um ein Produkt zu irgendwelchen Potenzen der fundamentalen Einheiten handelt. Das ist einer der faszinierendsten Beweise. Und den hat er geliefert, und zwar aufgrund von philosophischen Grundlagen. Das hat mich unendlich gefreut.
Ernst: Das ist ja wahrscheinlich auch der Grund, weswegen er missverstanden wurde.
Heinz: Ja. Weil diese ganze Perspektive, wie man quantitativ Physik betreibt, auf wie Voraussetzungen beruht, die nie erwähnt werden, die nie explizit gemacht werden. Sie werden irgendwie automatisch angenommen: Wie anders kann es schon sein: Geschwindigkeit ist Weg über Zeit, nicht wahr? Weg über Zeit. Wieso nicht Weg plus Zeit? Oder irgendwas anderes?
Ernst: Das wird einem nur klar, wenn man sich fragt, was tue ich, wie operiere ich, um diesen Begriff zu bekommen. Und das ist eben der Ansatz, den der Ceccato übernommen hat.
Von Heinz von Foerster, Ernst von Glasersfeld im Buch Wie wir uns erfinden (1999) auf Seite 46Heinz: Ja. Es hat mich völlig hingerissen. Du hast zum Beispiel das physikalische Problem: Ich möchte wissen, wie ich diese oder jene Gleichung oder Funktionen oder Formel bekomme. Bridgman sagt, das ist einfach! Sagen Sie mir, aus was für physikalischen Einheiten die Formel bestehen soll, schreiben Sie das hin. Dann sage ich Ihnen, wie Sie das messen, und Sie haben sofort die Lösung. Direkt aus den physikalischen Dimensionen. Also brauche ich nur drei Zeilen - drei Zeilen, um ein sehr verzwicktes mathematisches Problem zu lösen. Das einzige, was dann fehlt, sind die spezifischen Werte und eine Proportionalitätskonstante, und die, sagt Bridgman, ist immer zwischen null und eins. Also hat man auf jeden Fall eine prinzipielle Antwort. Das hat mich begeistert, damals, als ich Physik studierte. Ich kann mich noch erinnern, ich habe die Bridgman- Analyse bei einer Prüfung verwendet, um eine Lösung zu finden, wozu ich eine halbe Stunde hätte rechnen müssen. Ich habe die Aufgabe gelöst und bin durchgefallen Der Lehrer hat das nicht akzeptiert. Das kann man nicht so machen, hat er gesagt. Da müssen Sie schon die Differentialgleichung lösen. - Aber ich habe die Aufgabe doch auch gelöst? - Ja, aber Sie haben die Formel nicht gewußt! - Na ja, so war es. Aber der Bridgman hat mir einen Riesenspaß gemacht, besonders eben dieses operative Verstehen. Und das, was für mich als Physiker damals so wichtig war, warf daß er gesagt hat, alle diese physikalischen Größen, die Sie verstehen wollen, bestehen aus einem Produkt von Fundamentalgrößen. Und er hat auch den Beweis geliefert, daß es sich immer um ein Produkt zu irgendwelchen Potenzen der fundamentalen Einheiten handelt. Das ist einer der faszinierendsten Beweise. Und den hat er geliefert, und zwar aufgrund von philosophischen Grundlagen. Das hat mich unendlich gefreut.
Ernst: Das ist ja wahrscheinlich auch der Grund, weswegen er missverstanden wurde.
Heinz: Ja. Weil diese ganze Perspektive, wie man quantitativ Physik betreibt, auf wie Voraussetzungen beruht, die nie erwähnt werden, die nie explizit gemacht werden. Sie werden irgendwie automatisch angenommen: Wie anders kann es schon sein: Geschwindigkeit ist Weg über Zeit, nicht wahr? Weg über Zeit. Wieso nicht Weg plus Zeit? Oder irgendwas anderes?
Ernst: Das wird einem nur klar, wenn man sich fragt, was tue ich, wie operiere ich, um diesen Begriff zu bekommen. Und das ist eben der Ansatz, den der Ceccato übernommen hat.
Zitationsgraph
2 Erwähnungen
- Radikaler Konstruktivismus - Ideen, Ergebnisse, Probleme (Ernst von Glasersfeld) (1995)
- Wie wir uns erfinden - Eine Autobiographie des Radikalen Konstruktivismus (Heinz von Foerster, Ernst von Glasersfeld) (1999)